Der Schlosskomplex stellt eine in sich abgeschlossene historische und wirtschaftliche Einheit dar und funktioniert wie ein kleines Dorf, völlig unabhängig.
Allerdings ist das Schlossareal nicht mit einem Gutshof zu verwechseln - auf Schloss Wiligrad wurde keinerlei Landwirtschaft betrieben, es gab lediglich eine Gärtnerei für die Versorgung mit Gemüse, Obst und Blumen sowie einen Hühnerhof zur "Frischeiproduktion".
Die gesamte Schlossanlage - bestehend aus den Wirtschaftsgebäuden und dem eigentlichen Schlossbauwerk - war zur damaligen Zeit nicht nur mit modernster Technik ausgestattet, sondern die Gebäude sind auch ausnehmend ästhetisch in die Natur eingebunden.
Zur Backstein-Rohbauweise aus der Renaissancezeit, in der das Heiz- und Maschinenhaus sowie der Marstall samt seinen Nebengebäuden - freilich in der Version eines "Neo-Stils" - errichtet worden sind, gibt es reichlich Anmerkungen unter dem Button "Schloss Wiligrad - Anmerkungen zur Backstein-Rohbauweise des Wirtschaftsflügels".
Architekturseitig interessierte Besucher dieser Homepage mögen die Fassaden der vorgenannten Wirtschaftsgebäude bitte auch mit den Original-Renaissance-Fassaden des "Alten Rathauses Salzwedel" vergleichen. Dabei lassen sich interessante Feststellungen treffen!
Der Marstall
Er ist das größte Nebengebäude. In ihm befanden sich die Boxen für die Pferde, die 170 m² große Reithalle und die Wohnräume für das Personal.
Momentan ist das Gebäude vermietet an den Stiftungsverein "Erlebnistage"
Wagenremise
Hier waren die herzoglichen Kutschen untergebracht.
Gästepferdehaus
Es beherbergte die Fremdrösser.
Federviehhaus
Hier züchtete man Geflügel.
Die Gärtnerei
Hier wurde Obst und Gemüse angebaut.
Das Gärtnerhaus und das Bedienstetenhaus
Hier wohnten die Bediensteten in unmittelbarer Nähe zum Schloss.
Das Maschinenhaus
Um den Betrieb des Schosses zu sichern, wurde ein Maschinenhaus erbaut, in dem die Heizungsanlage für das Schloss, die Stromerzeugung und die Akkumulatoren-Anlage zur Stromspeicherung sowie die elektrisch betriebenen (?) Waschmaschinen untergebracht waren.
Der ehemalige, mit rundem Querschnitt in Klinkerbauweise errichtete und mit Ornamenten geschmückte Schornstein von 25 m Höhe existiert nicht mehr.
Das Kavaliershaus / Waldhaus
Es wurde im Laufe der Geschichte verschiedenartig genutzt - Kavaliershaus, Hospiz, Bauerhochschule
Anmerkungen zum ursprünglichen Kavaliershaus Wiligrad, später "Waldhaus" genannt.
Grundsätzliches zur Nutzung und Entstehungszeit
An deutschen Schlossanlagen wurden seit der Zeit des Barock auch separate Wohnhäuser für die höheren Beamten bzw. Angehörige des Hofstaates und für angesehene Gäste (hauptsächlich ohne familiäre Bindung an den Schlossherrn) errichtet.
Diesem Zweck diente auch das Kavaliershaus Wiligrad (später "Waldhaus" genannt), welches etwas abseits - am Rande der Schlossanlage, am Waldweg nach Gallentin - positioniert war.
Nach Abschaffung der Monarchie (1918) bzw. nach dem Tod des ehemaligen Herzogregenten Johann Albrecht (1920) wurde es bis 1945 vom Eigentümer der Schlossanlage Wiligrad - also von der ehemals großherzoglichen Familie - als Ausbildungs- bzw. Fortbildungsstätte für gemeinnützige Institutionen zur Verfügung gestellt.
Erst ab dieser Zeit - also nach 1920 - entstand die Bezeichnung "Waldhaus", wodurch einer gedanklichen Herausnahme des Kavaliershauses aus dem Schlosskomplex Wiligrad Vorschub geleistet worden ist.
Zur baulichen Fertigstellung des Kavaliershauses Wiligrad gibt es unterschiedliche Auffassungen:
- Archiveinsichten - in den 1990er Jahren vom heutigen Ehrenvorsitzender des Schlossvereins, Peter Frahm vorgenommen - legen die Vermutung nahe, dass eine Errichtung des Kavaliershauses bereits um das Jahr 1900 herum stattgefunden hat.
Diese Ansicht stützt sich auf die Schlussrechnung des "Großherzoglichen Hofzimmermeisters" Hildebrandt aus Hagenow, der für das Ausführen sämtlicher Zimmermannsarbeiten und Holzlieferungen zum "Beamten-Wohnhaus Wiligrad" im Oktober 1901 einen Betrag von 9070 Goldmark in Rechnung gestellt hat.
- Der niedersächsische Fachwerkstil vom Obergeschoss des Gebäudes, der für Mecklenburg völlig untypisch ist, hätte das Errichten eher für jene Zeit vermuten lassen, in welcher der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg als Regent des Herzogtums Braunschweig (1907 / 13) tätig war.
In der niedersächsischen Region Braunschweig und den umliegenden Gebieten gab es damals noch repräsentative Fachwerkbauten aus der norddeutschen Renaissance im Originalzustand (z. B. "Alte Waage" in Braunschweig, "Knochenhauer-Amtshaus" in Hildesheim, "Bäcker-Gildehaus" in Goslar)!
Wenn der Entstehungszeitpunkt 1900 für das Kavaliershaus zutrifft, kommt als dessen Architekt - nach den Recherchen von Peter Frahm - mit ziemlicher Sicherheit der Braunschweiger Stadtbaurat und Kirchenbaumeister Ludwig Winter infrage.
Dieser war auch in späteren Jahren - während der Braunschweiger Regentschaftszeit des Herzogs - eng mit Johann Albrecht zu Mecklenburg verbunden.
Hinweis:
Ludwig Winter war auch der Architekt des imposanten Grabmonuments für Herzog Albrecht zu Mecklenburg und seiner Gemahlin im Doberaner Münster, welches im Jahr 1910 fertiggestellt wurde.
Die Schaffung des "Löwenmonuments" von Wiligrad wurde gleichfalls von ihm - als Kopie des Braunschweiger Löwendenkmals - angestoßen und baulich forciert.
- Das äußere Erscheinungsbild des Kavaliershauses Wiligrad
Hier wurde ein stattliches Fachwerk-Obergeschoss (niedersächsischer Stil) auf ein sehr stabiles und fast schon etwas zu modern wirkendes Erdgeschoss aus rotem Backstein gesetzt.
Leicht systemfremd - weil zu modern - erscheinen im backsteinsichtigen Erdgeschoss die mehrfach eingesetzten, dreiflügeligen Fenster (nebst Oberlicht) mit ihren eigentümlichen Fenstersturzen (Siehe nachstehende Abbildung). Hier sind weitere Recherchen notwendig, um die Herkunft und den Grund für den Einbau dieser recht ungewöhnlichen Fensterform im Kavaliershaus Wiligrad heraus zu finden. Zumindest ist eine gewisse Ähnlichkeit - in der äußeren Erscheinungsform - zwischen den Fenstern im Fachwerkgeschoss und den Fenstern im Backsteingeschoss zu erkennen.
Für das Fachwerk-Obergeschoss dienten Gestaltungsmotive von niedersächsischen Fachwerkbauten aus der Zeit der Spätgotik (vor 1500), Frührenaissance (1500 bis 1550) und bezüglich einer Verwendung der Giebeldreiecke in einer repräsentativen Holzbauweise sogar bis hin zur beginnenden Barockzeit (ca.1650 bzw. 1700)!
Kavaliershaus Wiligrad - auch Waldhaus genannt, Schmalseite, vermutete Bauzeit um 1900, vermuteter Architekt: Ludwig Winter (Stadtbaurat und Kirchenbaumeister in Braunschweig)
Foto: Joachim Müller, Schwerin 2014
Das Kavaliershaus Wiligrad wird im Obergeschoss durch folgende Merkmale der niedersächsischen Fachwerkbauweise charakterisiert:
- Anwendung der niedersächsischen Ständerbauweise mit Winkelholz-Verstrebung
d.h.
Herstellen einer Verstrebung zwischen Schwelle (waagerechter Balken) und Ständer (senkrechter Balken) durch "Winkelhölzer" (große, über die volle Fläche geschlossene Holzdreiecke). Diese Verstrebungsart wurde etwa um 1500 herum eingeführt und trat die zeitliche Nachfolge der vorherigen, einfacheren Vertrebungsweise durch schräg eingesetzte, kurze Balken an!
Die Fachwerkwände der als bauliches Vorbild geeigneten "Alten Waage Braunschweig" von ca 1530 weisen durchgängig Winkelholz-Verstrebungen auf.
- Das Ausschmücken der Winkelholz-Vertrebungen durch "Fächerrosetten"
Diese waren im niedersächsischen Raum schon ab 1525 in Gebrauch, doch setzte sich diese Winkelholz-Gestaltungsart erst nach 1550 voll durch. An der "Alten Waage Braunschweig" fehlt diese Gestaltungsart - hier sind die Winkelhölzer in ihrer ursprünglichen "Rohausführung" verblieben.
Besonders hübsch mit Fächer-Rosetten wurden jedoch die Winkelholz-Verstrebungen am "Knochenhauer-Amtshaus" in Hildesheim gestaltet.
- Nutzung von etwas vereinfachten, hölzernen Gardinenbogen-Fenstersturz-Teilen (Nur Endstücke) an den Fachwerkfenstern des Kavalierhauses, die - ebenso wie an der "Alten Waage Braunschweig" - statisch nicht belastet sind. Beim letztgenannten Fachwerkgebäude wurden alle Fachwerk-Fenstern mit einer ähnlichen, jedoch den vollen Abstand zwischen den beiden Ständern ausfüllenden Sturzform versehen; Hauptanwendungszeit: Spätgotik, an der "Alten Waage Braunschweig" jedoch um 1530!
- Anwenden von "Zahnschnitt-Leisten" auf den Füllhölzern zwischen der oberen Mauerwerkskante des Erdgeschosses und der Fachwerk-Schwelle (waagerechte Balken) sowie zwischen dem Rähm (waagerecht durchlaufender Giebelbalken des unteren Fachwerkgeschosses) und der Fachwerk-Schwelle des darüber sitzenden Geschosses).
Das Ausschmücken der Füllhölzer bzw. anderer waagerechter Fachwerksteile mittels Zahnstreifen (Zahnschnittleisten) war im niedersächsischen Raum erst nach 1575 üblich geworden und ist bis mindestens 1650 üblich geblieben.
- Anwenden von hölzernen Giebeldreiecken, die als Fachwerkmotive NICHT aus der Braunschweiger Gegend stammen, sondern tendenziell eher aus dem Artland (Kreis Osnabrück, Nähe von Cloppenburg) bzw. aus dem angrenzenden Westfalen. Dort war es bei den vermögenden Großbauern - etwa ab der Zeit um 1675 herum - üblich geworden, dass die oberen Giebelbereiche durch eine repräsentative Bretterschalung ("Artländer Knaggen-Giebel) verkleidet wurden.
Das Kavaliers- bzw. Waldhaus Wiligrad verfügt über 4 Haupteingänge.
Dahinter befand sich (zu Zeiten des Herzogs Johann Albrecht) jeweils im Erdgeschoss eine Wohnung von ca. 100 m² Nutzfläche mit einem Kelleranteil von etwa 50 m².
Im Dachgeschoss stand dann nochmals eine etwas kleinere, weniger helle Wohnung von ca. 70 m² Nutzfläche zur Verfügung - mit einem Kelleranteil von ca. 20 m².
Bedarfsweise konnte die Wohnung im Erdgeschoss mit der Wohnung im Obergeschoss zusammengelegt werden, wodurch sich dann eine Wohnungsfläche von ca. 170 m² ergab.
Leiterhaus
Gegenüber dem Waldhaus befindet sich das Leiterhaus und dicht daneben war der Eingang zur Gärtnerei.